4.3. Gesundheit: Der Schlüssel für ein erfülltes Leben
4.3.0 Prävention, Teilhabe, Gerechtigkeit
Eine gerechte und präventive Gesundheitsversorgung ist die Grundlage für eine lebenswerte Stadt. Doch auch in Aachen und in der Städteregion gibt es Hürden: von fehlender ärztlicher Versorgung in ländlichen Räumen über lange Wartezeiten auf Therapieplätze bis hin zu Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssystem. Besonders Menschen in belasteten Lebenslagen, Kinder, Jugendliche und marginalisierte Gruppen sind davon betroffen. Volt will Gesundheit als Teilhabe sichern: durch präventive Angebote, mobile Versorgung, digitale Lösungen und diskriminierungsfreie Strukturen. Gesundheit darf keine Frage des Wohnorts, Geldbeutels oder der Herkunft sein. Aachen und die Städteregion sollen Orte werden, an denen Gesundheit gerecht, zugänglich und zukunftsorientiert gestaltet wird.93
4.3.1 Mobile Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen
In ländlichen Kommunen der Städteregion Aachen – etwa Roetgen und Monschau – ist der Zugang zu Ärzt*innen eingeschränkt. Viele müssen weite Strecken zurücklegen, was im Notfall gefährlich sein kann.
Wir setzen uns für ein Pilotprojekt für wohnortnahe medizinische Versorgung mit mobilen Praxen und Telemedizin ein. Bei Erfolg soll es auf weitere Orte ausgeweitet werden. Dies umfasst:
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1. Mobile Gesundheitszentren („Gesundheitsexpress“): regelmäßige Einsätze in abgelegenen Orten mit Beratung, Untersuchungen und Rezeptausgabe
- Brandenburg (DE): Seit 2019 fährt die „Mobile Arztpraxis“ regelmäßig in kleine Orte ohne eigene Ärzt*innen. Menschen können sich dort beraten, untersuchen und behandeln lassen. Das Projekt wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert.101
- Köln (NRW): Seit 2023 läuft ein Pilotprojekt zur kostenlosen Bereitstellung von Menstruationsprodukten an zehn weiterführenden Schulen. Die Spender auf den Schultoiletten wurden gemeinsam mit den Schülervertretungen installiert. In manchen Fällen werden die Produkte durch Vertrauenslehrer*innen ausgegeben. Die Erfahrungen fließen in eine stadtweite Ausweitung ein.102
- Dortmund (NRW): Das kommunale Gesundheitsamt arbeitet mit Kitas und Schulen im Rahmen des Programms „Gesund Aufwachsen“ zusammen. Materialien wurden gemeinsam mit der Hochschule Dortmund entwickelt und erreichen über 10.000 Kinder jährlich. Eltern werden bei Aktionstagen und durch mehrsprachige Flyer aktiv eingebunden.103
- Frankfurt am Main (DE): Seit 1994 gibt es erfolgreich betriebene Drogenkonsumräume. Die Zahl der Drogentoten konnte dort deutlich gesenkt werden.104 105
- Finnland (FI): Die App Aumio bietet niedrigschwellige mentale Unterstützung für Kinder in mehreren Sprachen. In Finnland wird die KI-gestützte Plattform AuroraAI genutzt, um Menschen personalisierte Gesundheits- und Sozialdienstleistungen anzubieten. In Deutschland entwickelt die Mental Health Crowd mit Elona Health digitale Therapiebegleitung, auch für gesetzliche Krankenkassen.
- Baden-Württemberg (DE): Seit 2023 testet BaWü erfolgreich eine zentrale Vergabestelle für Psychotherapieplätze, mit deutlich verkürzten Wartezeiten- besonders für Menschen ohne gute Vorkenntnisse oder Kontakte.
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01
Ein intelligenter Staat
Bildung und Digitalisierung sind Schlüsselelemente des 21. Jahrhunderts.
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02
Wirtschaftliche Renaissance
Eine innovative Wirtschaft ist der Motor für den Fortschritt der Gesellschaft.
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03
Soziale Gleichberechtigung
Niemand sollte zurückgelassen werden - ungeachtet von Geschlecht, Einkommen, Religion oder Herkunft.
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04
Für globalen Ausgleich
Europa muss seiner Verantwortung in der Welt zur Sicherung unserer gemeinsamen Zukunft gerecht werden.
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05
Politisch aktive Bürgerschaft
Die europäischen Bürger*innen müssen dazu in der Lage sein, fundierte politische Entscheidungen zu treffen, selbstständig über Wahlen hinaus Einfluss auf die Politik zu nehmen und ihre demokratischen Rechte auszuüben.
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+1
EU Reform
Wir lieben die EU - das heißt aber nicht, dass es keinen Raum für Verbesserungen gibt.
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2. Digitale Gesundheitsberatung per Video oder Telefon durch Haus- und
Fachärzt*innen
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3. Evaluation der Pilotphase zur Entscheidung über eine Ausweitung auf weitere Kommunen
4.3.2 Kostenlose Menstruationsprodukte in öffentlichen Einrichtungen
Menstruation ist kein Luxus, sondern ein natürlicher Teil des Lebens. Trotzdem verursachen Periodenprodukte Kosten, die vor allem von armen, obdachlosen oder in Einrichtungen lebenden Menschen (z. B. Gefängnisse, Frauenhäuser) nicht immer getragen werden können. Aachen hat das Konzept in Schulen erfolgreich erprobt und wir wollen es nun ausweiten:
In allen weiterführenden Schulen, Berufskollegs, sozialen Einrichtungen, Frauenhäusern, Obdachlosenunterkünften, Krankenhäusern und Tafeln in Stadt und Städteregion – barrierearm, bedarfsorientiert und diskriminierungsfrei.
Hierbei setzen wir auf folgende Umsetzung:
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2. Ausgaben über Vertrauenspersonen oder Sozialarbeiter*innen in sensiblen
Bereichen
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3. Modelle in Kooperation von Stadt, Städteregion, Schulträgern, sozialen
Trägern und Gesundheitsämtern erproben
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4. Stigma- und hürdenfreie Ausgabe sicherstellen
Damit wird die Grundversorgung verbessert und finanzielle wie soziale Barrieren beim Zugang zu Periodenhygiene abgebaut.
4.3.3 Prävention durch Gesundheitsbildung für Kinder und Familien
Chronische Krankheiten entstehen oft schon im Kindesalter durch ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel oder Stress. Deshalb führen Kitas und Grundschulen in der Stadt und Städteregion Aachen künftig ein verbindliches Präventionsmodell ein, das Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit gleichermaßen in den Blick nimmt und Eltern aktiv einbindet. Zu diesem Zweck stellt die Kommune altersgerechte, mehrsprachige Materialien wie Spiele, Filme und Broschüren bereit und organisiert Workshops, Aktionstage und Mitmachformate für Familien. In enger Kooperation mit Kita-Trägern, Offenen Ganztagsschulen, Schulsozialarbeit und Familienzentren werden Beratungsangebote verankert, die die Gesundheitskompetenz von Kindern, Eltern und pädagogischen Teams systematisch fördern. Ein regelmäßig evaluiertes und weiterentwickeltes Konzept, das über kommunale Gesundheitsfördermittel finanziert wird, sorgt dafür, dass gesunde Lebensweisen nachhaltig im Kita- und Schulalltag verankert sind.94 95
4.3.4 Hitzeschutz und öffentliche Trinkwasserversorgung
Trinkwasserstellen und Beschattung werden an öffentlichen Plätzen ausgebaut. Im Rahmen des Hitzeaktionsplan der Stadt Aachen wurde damit begonnen, netzgebundene Trinkwasserbrunnen im öffentlichen Raum zu errichten. Die Errichtung von netzgebundenen Trinkwasserbrunnen soll zukünftig auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt werden.
4.3.5 Akzeptierende Drogenpolitik – helfen statt verdrängen
Viele Kommunen verdrängen Drogenabhängige mit Verboten und verstärkter Polizei, was soziale Isolation, gesundheitliche Risiken und schlechte Ausstiegschancen verschärft. Aachen will daher einen festen, anonym nutzbaren Drogenkonsumraum einrichten, der in enger Abstimmung mit Suchtberatung, Streetwork-Teams und Gesundheitsdiensten betrieben wird. Dort stehen medizinische Ausstattung, individuelle Beratung, psychosoziale Hilfe und Angebote zur Suchtprävention bereit. In der Städteregion soll ein mobiler Dienst (z. B. ein Beratungsbus mit Test- und Spritzentauschmöglichkeiten) etabliert werden, um auch ländliche Gebiete zu versorgen. Begleitend sorgen Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen für Ordnungs- und Gesundheitspersonal für Akzeptanz und eine respektvolle, nicht- stigmatisierende Drogenpolitik.96 97
4.3.6 KI-gestützte psychische Gesundheitsversorgung
Alleinerziehende, queere Menschen, Migrant:innen und Geflüchtete haben in Aachen oft erschwerten Zugang zu psychologischer Hilfe und sind zugleich besonders von Einsamkeit, psychischen Belastungen und Suizidrisiken betroffen. Bisher fehlt eine kommunale Strategie für niedrigschwellige, zielgruppengerechte Prävention. Das Gesundheitsamt der StädteRegion Aachen soll nun ein ganzheitliches Modell entwickeln, das digitale KI-gestützte Ersthilfe mit einem lokalen Netzwerk „Erste Hilfe bei Einsamkeit“ verknüpft. Die Plattform (App/Web) bietet rund um die Uhr anonym, mehrsprachig und kultursensibel Erstkontakte, wird in Kooperation mit Hochschulen, Sozialverbänden und Ausbildungseinrichtungen wissenschaftlich begleitet und stetig optimiert. Parallel dazu werden bestehende Quartiersstrukturen, Bibliotheken und Nachbarschaftszentren zu offenen Anlaufstellen ausgebaut und durch Fortbildungen in Suizidprävention und kultursensibler Gesprächsführung gestärkt. Ein jährlicher Aktionstag „Raus aus der Stille“ soll in der Öffentlichkeit für Einsamkeit sensibilisieren und Wege zu Hilfsangeboten aufzeigen.
4.3.7 Zentrale Warteliste für Psychotherapie
Wer psychotherapeutische Hilfe in Aachen oder in der Städteregion sucht, muss lange warten: Überlastete Praxen, individuelle Wartelisten und intransparente Strukturen verzögern den Zugang oft um Monate. Das führt dazu, dass Krisen sich verschärfen und chronische Verläufe zunehmen – obwohl ausreichend qualifizierte Therapeut*innen vorhanden sind. Um die Versorgung gerechter und schneller zu machen, soll die Städteregion Aachen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und regionalen Psychotherapeut*innen ein zentrales, digitales Vermittlungssystem für Therapieplätze aufbauen:
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2. Barrierefreie, datenschutzkonforme Oberfläche, die Anfragen nach
medizinischer Dringlichkeit, Sprache, Methode oder Format (z. B. Online-
Therapie) priorisiert
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3. Automatischer Abgleich freier Kapazitäten und Reduzierung von
Doppelanmeldungen
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4. Bereitstellung psychoedukativer Informationen sowie Verweise auf
Übergangsangebote (Beratung, Gruppentherapien, Gesundheits-Apps)
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5. Technische und organisatorische Koordination durch die Städteregion in enger Zusammenarbeit mit Gesundheits- und Sozialakteur*innen
Mit diesem digitalen Wartelisten- und Vermittlungssystem entfällt das bisherige Glücks- und Netzwerkprinzip, und Patient*innen erhalten schneller und planbarer Zugang zu dringend benötigter psychotherapeutischer Hilfe.
4.3.8 Pflegende Kinder und Jugendliche sichtbar machen und unterstützen
Viele Kinder und Jugendliche in der Städteregion Aachen übernehmen still Pflegeaufgaben für Angehörige mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen – etwa Waschen, Einkaufen, Medikamentengabe oder emotionale Unterstützung. Diese Young Carers bleiben häufig unbemerkt, weil weder Pflegekassen noch kommunale Dienste dafür geschult sind, Minderjährige in Pflegesituationen zu erkennen. Studien belegen, dass sie dadurch häufiger schulische Probleme, soziale Isolation und psychische Belastungen erfahren.98 99
Deshalb soll ein regionales Unterstützungsnetzwerk für Young Carers etabliert werden: Fachkräfte in Pflegeberatung, Schulsozialarbeit und Kinder- und Jugendmedizin erhalten Schulungen, um pflegende Kinder frühzeitig zu identifizieren und zu betreuen. Die kommunalen Pflegebeauftragten richten eine zentrale Anlaufstelle ein, die niederschwellige, auch anonyme Beratung, Austausch und Freizeitangebote bietet. Ein Fachnetzwerk aus Schulen, Pflegekassen, Pflegediensten und Jugendhilfe koordiniert Informationsmaterial, Standardabläufe und konkrete Hilfe für Betroffene. Eine Aufklärungskampagne an Schulen und in sozialen Medien macht auf Young Carers aufmerksam und stärkt das Bewusstsein in der Öffentlichkeit.
4.3.9 Diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung
Rassismus im Gesundheitssystem ist ein weitgehend unsichtbares Risiko. Für viele Menschen geht daher ein Arztbesuch mit der Angst einher, nicht ernst genommen oder schlechter behandelt zu werden. Diese Diskriminierungserfahrungen bei medizinischen Angeboten führen dazu, sie seltener in Anspruch zu nehmen – mit negativen Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit.100
Gleichzeitig fehlen in Deutschland belastbare Daten zu spezifischen Diskriminierungsmustern (etwa antischwarze oder antiasiatische Vorfälle). In der StädteRegion Aachen gibt es bisher weder systematische Erhebungen noch Anlaufstellen für Betroffene oder verbindliche Fortbildungen für medizinisches Personal. Das untergräbt das Vertrauenin die Gesundheitsversorgung. Deshalb wird in der Städteregion Aachen ein kommunales System gegen rassistische Diskriminierung im Gesundheitswesen aufgebaut mit:
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2. einem verpflichtenden Fortbildungsmodul zu Diskriminierung und
unbewussten Vorurteilen für alle städtisch geförderten
Gesundheitseinrichtungen (in Kooperation mit Black in Medicine und dem
Projekt Gesundheit und Rassismus),
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3. einem Beirat „Rassismus in Medizin“ beim Städteregionstag, der
gesellschaftliche, wissenschaftliche und verwaltungsseitige Empfehlungen
erarbeitet,
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4. einem Modellprojekt zur differenzierten Datenerhebung von
Diskriminierungserfahrungen (z. B. antiasiatische oder antimuslimische
Vorfälle).
Mit diesem digitalen Wartelisten- und Vermittlungssystem entfällt das bisherige Glücks- und Netzwerkprinzip, und Patient*innen erhalten schneller und planbarer Zugang zu dringend benötigter psychotherapeutischer Hilfe.
Die 5+1 Herausforderungen
Volt hat 5+1 grundlegende Herausforderungen definiert, die in jedem europäischen Land und in Europa als Ganzes in Angriff genommen werden müssen.
Warum 5 + 1 Herausforderungen?
Die 5 Herausforderungen sind im Grunde für jedes Land die gleichen, aber ihre Umsetzung kann auf nationaler Ebene angepasst werden, um den lokalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
Die Herausforderung Nr. 1 - unser Vorschlag zur Reform und Stärkung der EU - ist in allen unseren nationalen Programmen identisch.