Neues Frauenhaus in Darmstadt: Ein wichtiger Schritt zum Schutz von Frauen

Autor: Jonas Wolf

Jonas hat sich im Rahmen seines Schülerpraktikums bei der Volt-Fraktion mit einem geplanten Frauenhaus befasst, über das in der Darmstädter Stadtverordnetensammlung am 3. April 2025 abgestimmt werden soll. Seine Erkenntnisse und Gedanken zu dem Thema stellt er in diesem Blogbeitrag vor.

28. Mär 2025
Eine Frau und ein Kind gehen Hand in Hand eine Straße entlang (KI-generiertes Bild).

30 Jahre. So lange erlitt Jeanette (Name geändert) häusliche Gewalt durch ihren Mann, sagte sie SWR Heimat. Gebrochene Arme, blaue Flecken, Überwachung des Handys und Tracker am Auto, ihr Mann war nicht nur gewalttätig, sondern kontrollierte ihr ganzes Leben. Er drohte, ihren Kindern etwas anzutun, wenn sie mit jemandem reden würde oder ginge. Für viele Frauen in Deutschland ist das die traurige Realität. Statistisch gesehen erlebt jede Vierte mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt. Manche werden tagtäglich von ihren Partnern gedemütigt, bedroht oder werden Opfer körperlicher Gewalt. Trotzdem verlangt die Entscheidung, ihrer oft grausamen Situation zu entfliehen, vielen eine enorme Überwindung ab. Doch selbst wenn sie den Mut aufbringen, endlich zu gehen, stehen sie oft vor einem neuen Problem: Es gibt zu wenige Schutzräume für sie.

Frauenhäuser bieten den betroffenen Frauen und ihren Kindern Zuflucht, Sicherheit und Unterstützung, doch die Kapazitäten reichen zu oft nicht aus. In Darmstadt soll sich das jetzt ändern – mit dem Bau eines neuen Frauenhauses. Doch was genau ist geplant, und warum ist das so dringend nötig?

Warum ist ein Frauenhaus in Darmstadt notwendig?

Die sogenannte Istanbul-Konvention (IK), die 2017 vom Europarat beschlossen und von Deutschland ratifiziert wurde, verpflichtet Bund, Länder und Kommunen zur Bereitstellung eines flächendeckenden Hilfesystems für von Gewalt betroffene Frauen. Laut der IK müssen ausreichend leicht zugängliche Schutzunterkünfte eingerichtet werden. Ausreichend bedeutet, dass pro 10.000 Einwohnerinnen einer Kommune ein Familienplatz bereitgestellt werden muss. Ganz konkret heißt das für Darmstadt, dass anstatt der aktuell vorhandenen zehn Plätze ganze 17 Schutzplätze geschaffen werden müssten. 

Bisher konnte die Stadt mit angemieteten Schutzwohnungen die Lücke teilweise schließen, doch eine langfristige Lösung ist dringend notwendig. Der aktuelle Standort des Frauenhauses ist nicht nur zu klein, sondern entspricht auch nicht den modernen Anforderungen an Barrierefreiheit und Sicherheit, weshalb man sich regelmäßig dazu gezwungen sieht, Frauen und deren Kinder abzuweisen. Laut einer Pressemitteilung der Sozialdezernentin und Bürgermeisterin Barbara Akdeniz (Grüne) handelte es sich hierbei in 2023 um 96 Frauen und 92 Kinder. So viele Opfer häuslicher Gewalt, denen gezwungenermaßen die Zuflucht verwehrt werden musste. Man kann sich schwer vorstellen, wie schlimm es sein muss, in einer solchen Situation, vielleicht mit seinen Kindern, schlimmstenfalls wieder zum gewalttätigen Partner zurückzukehren. Um den Schutz dieser Frauen in Zukunft gewährleisten zu können, ist klar: Es muss dringend ein neues Frauenhaus her.

Was ist die genaue Planung und warum eignet sich diese so gut?

Der Meinung war wohl auch der Magistrat in Darmstadt, denn am 3.02.2025 legte dieser einen Entwurf für den Neubau eines Frauenhauses vor. Dieser Entwurf, auch Magistratsvorlage genannt, behandelt die wesentlichen Aspekte von Notwendigkeit (s. oben) über konkrete Planung bis hin zur Finanzierung.

Einer der vielen Vorteile des geplanten Neubaus ist beispielsweise die vorgeschlagene Bauweise. In der Magistratsvorlage wird von der Verwendung einer modularen Bauweise gesprochen. Das bedeutet, dass viele Bauelemente bereits in einer Fabrik vorgefertigt und vor Ort nur zusammengesetzt werden. Dadurch kann das Frauenhaus schneller gebaut werden – und das ist entscheidend. Denn mit jedem Monat, der vergeht, gibt es Frauen, die keinen sicheren Zufluchtsort finden. Gleichzeitig bleiben die Baukosten gering, sodass mehr Geld direkt in die Betreuung der Betroffenen und die nötige Sicherheitsausstattung fließen kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass die modulare Bauweise große Flexibilität aufweist, sodass das Gebäude später leicht erweitert werden kann, was aufgrund der wachsenden Bevölkerung Darmstadts die langfristige Zukunftsfähigkeit des neuen Frauenhauses und somit der Sicherheit der Frauen ermöglicht.

Ein besonderer Fokus beim Neubau liegt unter anderem auch auf einer Verbesserung der Barrierefreiheit. Durch das von Stadt und Träger (Frauenhaus Darmstadt e.V.) entwickelte Raumkonzept werden nicht nur die Anforderungen an Familienzimmer und die bereits angesprochene Modularität erfüllt, sondern auch neue Möglichkeiten bezüglich der Barrierefreiheit geschaffen – ein weiterer wichtiger Fortschritt. Erstmals wird das Frauenhaus auch Frauen mit älteren Söhnen aufnehmen können. Bislang mussten viele Mütter mit jugendlichen Söhnen abgewiesen werden, weil bestehende Einrichtungen darauf nicht angelegt sind. Das neue Konzept verhindert, dass diese Frauen vor einer unmögliche Entscheidung stehen – sich selbst in Sicherheit zu bringen oder bei ihren Kindern zu bleiben.  

Darüber hinaus trägt der Neubau des Frauenhauses auch dazu bei, dass die Stadt ihrer sozialen Verantwortung nachkommt. Frauenhäuser sind ein essenzieller Bestandteil der sozialen Infrastruktur, um häusliche Gewalt effektiv zu bekämpfen und betroffene Personen zu schützen. Die Bereitstellung sicherer Unterkünfte für Opfer von Gewalt ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität und Fürsorge.

Fazit 

Der geplante Neubau ist ein wichtiger Schritt für die Umsetzung der Istanbul-Konvention und zur Verbesserung des Schutzes der Frauen und Kinder Darmstadts. Die Stadt kommt nicht nur den rechtlichen Auflagen des Bundes nach, sondern übernimmt auch noch wichtige soziale Verantwortung für ihre Bewohnerinnen. Durch den Neubau gibt es ab Dezember 2026 also endlich genug Schutzplätze, eine moderne und barrierefreie Ausstattung und eine langfristige, nachhaltige Lösung für die Opfer von häuslicher Gewalt.

Das neue Frauenhaus ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Unterdrückung und Gewalt, mit der viel zu viele Frauen in ihrem alltäglichen Leben konfrontiert werden, dem hoffentlich viele weitere Kommunen folgen werden.

Eigene Meinung

Der geplante Neubau des Frauenhauses in Darmstadt ist mehr als eine bauliche Maßnahme – er ist ein klares Signal, dass der Schutz von Frauen vor Gewalt eine gesellschaftliche Verantwortung ist. Doch er erinnert auch daran, dass dieser Schutz nicht selbstverständlich ist. Während in Deutschland gesetzliche Verpflichtungen wie die Istanbul-Konvention den Rahmen für solche Maßnahmen setzen, erfordert es auch darüber hinaus den politischen Willen, diese auch umzusetzen. Auch wenn Projekte wie diese beweisen, dass es immer noch Menschen gibt, die sich für den Schutz von Frauen und ihren Rechten einsetzen, ist das schon lange nicht mehr die Norm.

Es ist beängstigend, als junger Mensch heutzutage die Nachrichten zu gucken. Ungarn, Frankreich, Italien, die USA und auch hier in Deutschland, überall kann man beobachten, wie der politische Diskurs immer weiter nach rechts abrutscht. Fakten spielen kaum noch eine Rolle, Emotionalisierung und einfache Antworten – damit macht man heute Politik. 

Als Folge werden Frauenrechte, die längst als gesichert galten, zunehmend infrage gestellt.

Der erstarkende Antifeminismus, der sich in sozialen Medien, in politischen Debatten und in der öffentlichen Meinung breitmacht, versucht, traditionelle Geschlechterrollen wieder zu etablieren. Frauen sollen sich wieder verstärkt an Familie und Unterordnung orientieren, während Männern eine vermeintlich „natürliche“ Rolle als dominante Versorger zugewiesen wird. Besonders bei jungen Männern und Jugendlichen finden diese Entwicklungen großen Zuspruch. Die zunehmende Verbreitung von Männlichkeitsbildern, die Härte, Dominanz und emotionale Unnahbarkeit idealisieren, führt dazu, dass junge Männer unter Druck stehen, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Gleichzeitig werden feministische Errungenschaften diskreditiert und als überflüssig oder gar bedrohlich dargestellt. Wer sich für Gleichberechtigung einsetzt, wird diffamiert, und wer nicht den tradierten Normen entspricht, muss mit sozialer Ausgrenzung oder offener Aggression rechnen. Der Kampf für Frauenrechte ist daher auch ein Kampf um gesellschaftliche Freiheit für Frauen und teils auch für Männer. Frauenhäuser sind nicht nur eine Reaktion auf bestehende Gewaltstrukturen des Patriarchats, sondern auch ein Symbol dafür, dass Gleichstellung politisch erkämpft und verteidigt werden muss. Der Neubau in Darmstadt ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch er wird allein nicht reichen, um gesellschaftlichen Rückschritten entgegenzuwirken. Es braucht eine klare Haltung gegen dem wachsenden Antifeminismus, gegen die Wiederbelebung überholter Geschlechterrollen und gegen jede Form der Unterdrückung. Denn wer glaubt, dass einmal errungene Rechte nicht wieder verloren gehen können, verkennt, wie schnell gesellschaftlicher Wandel rückgängig gemacht werden kann – mit tiefgreifenden Folgen für uns alle.

Quellen

https://www.swr.de/heimat/anonym/anonyme-geschichte-haeusliche-gewalt-opfer-102.html 

https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lagebild-haeusliche-gewalt-2201488 

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/943851/umfrage/opfer-von-gewalt-in-der-partnerschaft-in-deutschland/ 

Die Magistratsvorlage für die Stadtverordnetenversammlung am 3.4.2025 findet hier hier.