Integration: An Sprachkursen darf nicht gespart werden

Autorin: Lou Heidbrink

Lou hat sich während ihres Schülerpraktikums bei uns mit dem aktuellen Problem der Kürzungen bei Sprachkursen für Geflüchtete auseinandergesetzt. In diesem Blogbeitrag teilt sie die wichtigsten Infos und ihre Perspektive dazu.

24. Jun 2025
Teilnehmerinnen eines Kurses beim gemeinsamen Lernen

Migration? Davon hat wahrscheinlich jeder schon mal gehört. Aber habt ihr euch schon mal gefragt, was mit den Menschen passiert, wenn sie es endlich geschafft haben, nach Deutschland zu kommen? Stellt euch vor, ihr seid in einem fremden Land mit fremden Menschen und einer Sprache, die ihr nicht versteht. Sprache ist eine der wichtigsten Kenntnisse, die man braucht, um sich mit einem Land und dessen Bewohnern verbunden zu fühlen. Wie sagt man so schön: „Sprache ist der Schlüssel zur Integration.“ [4]

Seit vielen Jahren ist Deutschland eines der Länder, die die meisten Geflüchteten aufnehmen. Vor allem seit dem Russland-Ukraine-Krieg kommen viele Ukrainer*innen nach Deutschland, aber auch aus Syrien und Afghanistan kommen viele Geflüchtete. Um jedoch in der Lage zu sein, einen guten Job zu bekommen und sich ein Leben in einem neuen Land aufzubauen, muss man die Sprache sprechen können. Deshalb beginnen jährlich über 300.000 Menschen einen Integrationskurs, um Deutsch zu lernen. Zur Teilnahme berechtigt sind Personen, die dauerhaft in Deutschland leben, etwa anerkannte Geflüchtete oder EU-Bürger. Nun hat die Bundesregierung im November 2024 jedoch beschlossen, die finanziellen Mittel, die in die Sprachkurse fließen, massiv zu kürzen, um Geld zu sparen und in andere Sachen investieren zu können. Für das Jahr 2025 seien nur noch knapp 763 Millionen Euro vorgesehen, fast die Hälfte des Jahres zuvor, in dem es schätzungsweise 1,2 Milliarden Euro waren. [2] Dies war der Stand bis Juni 2025, nun hat der Bund die Mittel doch noch einmal um 300 Millionen Euro aufgestockt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber der Betrag vom Vorjahr ist immer noch nicht erreicht. [7]

Durch die Kürzung der Gelder muss auch bei den Kursen viel reduziert werden. So kann man Kurse jetzt nicht mehr wiederholen, was vor allem ein Problem für die Personen ist, die durch die Prüfung des B1-Niveaus fallen, da sie diese für die meisten Berufe benötigen. Auch die Fahrtkosten zu den Kursen sollen nur noch in besonderen Fällen übernommen werden und Kurse, die speziell für Jugendliche, Eltern und Frauen gemacht werden, sollen gestrichen werden. [2]

Doch das hat nicht nur Auswirkungen auf Eingewanderte, sondern auch auf die Lehrkräfte. Diese arbeiten oft als Honorarkräfte, sind also nicht fest angestellt, oder haben nur befristete Verträge. Dadurch werden viele Leute davon abgeschreckt, die Kurse zu übernehmen, da sie keine berufliche Sicherheit bieten. Durch die Kürzung der Kurse werden auch die Arbeitsstunden der Lehrkräfte gekürzt, sie können also weniger arbeiten und müssen sich, falls sie noch keinen haben, wahrscheinlich einen Zweitjob suchen. Dazu kommt noch, dass man gute Lehrkräfte erst einmal finden muss. Vor allem in Alphabetisierungskursen, in denen erst die lateinische Schrift gelehrt wird, gibt es oft nicht genug. Dadurch wird es noch schwieriger, genug Kurse für alle hilfsbedürftigen Menschen zu organisieren. [2]

Obwohl die Sprachkurse extrem wichtig sind und sich, einer Studie der OECD 2024 [6] zufolge, für die meisten Teilnehmer auch als sehr effektiv und zielführend erweisen, gibt es immer wieder Diskussionen über die Struktur der Kurse und die Testergebnisse. Forschenden zufolge erreichen viele Teilnehmer*innen das vorgesehene Sprachniveau B1 nicht und fallen deshalb in der Prüfung oft durch. Ein Grund dafür ist, dass es in der kurzen Zeit unrealistisch ist, ein so hohes Level zu erreichen und dass man stattdessen lieber das A2-Niveau prüfen sollte. Dies sei vernünftiger, so eine Studie des Leibnitz-Instituts für Deutsche Sprache. Außerdem sind die Sprachniveaus der Teilnehmer in einem Kurs sehr gemischt, da sie heterogen, also nicht nach Sprachniveau aufgeteilt sind, sondern wild zusammengewürfelt werden. Laut einer Evaluation des BAMF 2023 und Fachleuten sei es deshalb nicht ganz einfach, auf den unterschiedlichen Bildungsstand und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmer*innen einzugehen. Ein letzter Grund sei das Problem, dass man nicht genug gute Lehrkräfte findet, so die Evaluation des BAMF. [1;2;3;4;6]   

Statt also das Geld, das in die Kurse investiert wird, zu kürzen, sollte man lieber die schon vorhandenen Probleme angehen, ohne es den Geflüchteten noch schwieriger zu machen, als sie es ohnehin schon haben. Viele stehen schon seit Monaten, manche sogar schon seit Jahren auf Wartelisten, weil die Menge an Plätzen für die Kurse einfach zu klein für alle Menschen ist, die nach Deutschland kommen. Während sie warten, können sie oft beruflich noch nicht wirklich loslegen, da viele Arbeitgeber ein Zertifikat für das B1-Level voraussetzen. Durch die nicht vorhandenen oder nur spärlichen Sprachkenntnisse vieler, fühlen manche sich in Deutschland außerdem nicht wirklich wohl, weil sie es schwer haben, Kontakte zu knüpfen und sich ein Leben in Deutschland aufzubauen. [2;4]

Natürlich gibt es trotzdem viele Menschen, meist Ehrenamtliche und Sozialträger, aber auch Vereine, die sich für derartig wichtige Themen engagieren. So gibt es zahlreiche kostenlose Angebote für niedrigschwellige Sprachkurse und Sprachtreffs, aber auch jede Menge Apps und Online-Tipps für alle Sprachniveaus. Diese Angebote sind vor allem wichtig für Leute, die sich die Sprachkurse nicht leisten können und die keine Zugangsberechtigung für Regelkurse haben. [5]

Man sieht also, dass nicht alles immer so einfach ist, wie man denkt. Ich persönlich habe mich vorher noch nie mit diesem Thema beschäftigt, weil ich es für selbstverständlich gehalten habe, dass Migrant*innen, die Deutsch lernen wollen, die Möglichkeit dazu gegeben wird. Denn Sprache ist in einer Gesellschaft so wichtig und selbstverständlich, dass die Vorstellung, nicht in der Lage zu sein, eine Sprache zu lernen, völlig absurd klingt. Unsere Welt wird immer internationaler und vor allem bei solchen Themen sollte man nicht an Ressourcen sparen, weil es einfach ein so wichtiger Bestandteil im Zusammenleben der Menschen ist. 

Was kannst du also tun?

Ein erster Schritt wäre es, andere Personen über die Sprachkurse aufzuklären, damit sie über die kritische Situation überhaupt Bescheid wissen und ihnen dadurch die Wichtigkeit dieser Kurse klargemacht wird. Eine weitere Option ist es, für das ehrenamtliche Engagement zu werben, sodass man noch mehr Kurse auf die Beine stellen kann. Das wird die BAMF-Kurse zwar nicht ersetzen, wäre aber auf jeden Fall eine große Hilfe. Das Hauptproblem liegt jedoch auf Bundesebene, denn ohne ausreichende finanzielle Mittel wird es nicht möglich sein, allen Eingewanderten Kurse und insbesondere auch die wichtigen Zertifikate für die Sprachniveaus anzubieten.

Ich finde, Holger Klötzner, Dezernent für Bildung und Digitalisierung in Darmstadt, bringt es gut auf den Punkt: “Deutschland ist ein Zuwanderungsland und braucht diese Zuwanderung auch, das sollte mittlerweile den meisten von uns bewusst sein. Ob sie gelingt, das haben wir selbst in der Hand. Wenn wir wollen, dass Zugewanderte möglichst schnell zu unserer Gesellschaft und zu unserer gemeinsamen Zukunft beitragen, dann müssen wir in sie investieren. Eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames Wertegerüst, eine Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen, all das sorgt für eine harmonische Integration und einen langfristigen Zugewinn für alle Beteiligten. Wenn wir jedoch wollen, dass zugewanderte Menschen weiterhin ausgebremst, demotiviert und vergrämt werden, dann machen wir am besten weiter wie bisher. Wer die Fachkräfte von morgen will, der muss heute für deren Ausbildung sorgen. Von nichts kommt nichts, das ist in der Wirtschaft ein No-Brainer. Aber versteht unsere Bundesregierung das auch? Als Dezernent für die Volkshochschule, die direkt von der massiven Kürzung der Bundesmittel für die Integrations- und Sprachkurse betroffen ist, glaube ich das nicht. Die Kurskorrektur zum ursprünglichen Vorschlag ist begrüßenswert, aber die Mittel fallen immer noch geringer aus als in 2024. Mein Vorschlag: Die Bundesregierung sollte sich von Fachleuten das Konzept "Return on Invest" erklären lassen. Vielleicht ändert sich dann endlich etwas.”

Quellen:

  1. https://ids-pub.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/9202/file/Cindark_etal._Perspektive_Beruf_2019.pdf#page=42

  2. https://mediendienst-integration.de/artikel/wie-geht-es-mit-den-integrationskursen-weiter.html

  3. https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/Kurzberichte/fb46-zwischenbericht-evik-III-zentrale-ergebnisse.pdf?__blob=publicationFile&v=12

  4. https://heimatkunde.boell.de/sites/default/files/e-paper_36_integrationskurse_reformieren_baf_1.pdf

  5. https://deutsch-in-darmstadt.de/wp-content/uploads/2024/12/241218DinD_brosch.pdf

  6. https://home-affairs.ec.europa.eu/policies/migration-and-asylum/migrant-integration/migrant-integration-hub_en#page=3

  7. https://www.echo-online.de/politik/politik-deutschland/bund-stockt-mittel-fuer-integrationskurse-auf-4718141