Volt klagt gegen Wahlrechtsreform
NRW, 30.08.2024 – Volt NRW hat heute Klage gegen das neue Kommunalwahlrecht eingereicht, das der Landtag am 3. Juli 2024 beschlossen hatte. Die Partei zieht vor den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGhG NW) und ist überzeugt, gute Chancen auf Erfolg zu haben.
Volt NRW kritisiert, dass durch die Reform der Wille der Wähler*innen missachtet wird. Viele Stimmen, die kleineren Parteien anvertraut wurden, kommen durch sie weniger bis gar nicht aktiv zum Tragen. Die Reform ändert die Verteilung der Sitze in Städten und Kreisen, was vor allem den großen Parteien zugutekommt, die die Reform beschlossen haben.
"Das Wahlrecht in NRW macht es kleinen Parteien jetzt schon schwer," erläutert Dominik Maxein, Ratsmitglied in Bonn. "Man hat nur eine Stimme, die gleichzeitig für die Sitzverteilung im Rat und für die Direktkandidierenden vor Ort zählt. Wer eine kleine Partei wählt, hat keinen Einfluss darauf, wer den eigenen Ortsteil im Rat vertritt. Das macht es unattraktiver, kleine Parteien zu wählen. Zwei Stimmen wären fairer. Jetzt kommt noch eine unvorteilhafte Sitzverteilung hinzu."
„Gerade in den Städten und Kreisen möchten viele Wähler*innen andere Akzente setzen. Die Wahlen zum Europaparlament haben zudem gezeigt, dass vor allem junge Menschen großes Interesse an neuen, kleinen Parteien haben. Die Chancen, Mandate zu erringen, dürfen nicht durch machtpolitische Entscheidungen der Regierung beschnitten werden“, betont Markus Blümke, Vorsitzender von Volt NRW.
Nancy Meyer, Vorsitzende von Volt NRW, ist nicht damit einverstanden, dass den kleinen Parteien der Zugang zu kommunalen Parlamenten erschwert wird: „Es liegt auf der Hand, was die großen Parteien mit dieser Reform erreichen wollen. Dies können und werden wir nicht hinnehmen, denn wir wollen für die Wähler*innen in NRW erreichen, dass jede Stimme mehr Gewicht erhält. Es scheint, als wollen sich die großen Parteien der lästigen Teilung der Macht mit kleineren Parteien entledigen.“
Die Klage von Volt NRW wird durch die Kanzlei Teipel & Partner in Köln vertreten. Verfassungsrechtler Dr. Jürgen Küttner sieht gute Aussichten, die von den großen Parteien im Eilverfahren beschlossene Reform mit dem Organstreitverfahren zu stoppen.
In Köln, Münster und Bonn hat Volt bei den letzten Kommunalwahlen 2020 Mandate erhalten und arbeitet seitdem konstruktiv mit anderen Parteien zusammen. In Bonn sind es durch die gemeinsame Koalition vor allem die Grünen, die SPD und die Linke.
Hintergrund
Die Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten wurden bisher nach dem Verfahren, das auf der Standardrundung nach Sainte-Laguë basiert, berechnet. Dabei fielen auch zum Beispiel halbe Sitze ins Gewicht, sofern diese einer Partei nach ihrem Stimmenanteil zustanden. Das passierte immer wieder, da es in NRW keine Sperrklausel mehr gibt, seit der Verfassungsgerichtshof des Landes zuerst die Fünf-Prozent-Hürde und schließlich auch die 2,5-Prozent-Hürde gekippt hatte. Weil keine halben Sitze vergeben werden, wird in solchen Fällen nach Sainte-Laguë regelmäßig von einem halben auf einen ganzen Sitz im Rat aufgerundet.
Der Landtag hat nun das Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich eingeführt. Dies führt dazu, dass es schon zur Kommunalwahl 2025 schwieriger wird, ein Mandat zu erringen. Kleine Parteien und Wählergemeinschaften werden hierdurch einseitig benachteiligt.
Wäre die nun beschlossene Regelung schon bei der letzten Kommunalwahl angewendet worden, hätte die Union 184 Sitze mehr gewonnen. Auch die SPD mit zusätzlichen 84 Mandaten und die Grünen mit 51 Mandaten hätten profitiert.
Über das Sainte-Laguë-Verfahren
Das Verfahren nach Sainte-Laguë findet seit 2010 in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Bei diesem Verfahren, auch Divisormethode mit Standardrundung genannt, werden die jeweiligen Anzahlen der Zweitstimmen für die einzelnen Parteien durch einen gemeinsamen Divisor geteilt. Die sich ergebenden Quotienten werden standardmäßig zu Sitzzahlen gerundet, das heißt bei einem Bruchteilsrest von mehr als 0,5 wird auf-, bei weniger als 0,5 wird abgerundet, bei einem Rest von genau gleich 0,5 entscheidet das Los. Der Divisor wird dabei so bestimmt, dass die Sitzzahlen in der Summe mit der Gesamtzahl der zu vergebenden Mandate übereinstimmen.
Über das Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich
Dieses Verfahren baut auf der Hare-Quote auf, dem Quotienten aus Gesamtstimmen und Gesamtsitzen. Werden die Stimmen einer Partei durch die Hare-Quote geteilt, gibt die Ganzzahl des Quotienten an, wie oft die Hare-Quote erfüllt ist; diese Zahl an Sitzen erhält die Partei in der Hauptzuteilung. Von den verbleibenden Sitzen geht je einer an diejenigen Parteien, deren Quotienten die höchsten Bruchteilsreste aufweisen.