Kein Gemeinwohl für Großkonzerne

Warum eine Ministererlaubnis für Tönnies ein Schlag gegen den Wettbewerb wäre. Volt Ostwürttemberg fordert: Das Veto des Bundeskartellamts muss Bestand haben.

16. Jul 2025

Schwäbisch Hall – Die Premium Food Group – besser bekannt unter ihrem alten Namen Tönnies – geht juristisch gegen das Übernahmeverbot des Bundeskartellamts vor und erwägt zusätzlich eine Ministererlaubnis. Für uns als Volt Ostwürttemberg, die sich bereits im Verfahren gegen diese Übernahme positioniert haben, ist das ein beunruhigendes Signal. Denn was hier droht, ist nicht die Rettung bäuerlicher Existenzen, sondern eine gefährliche Machtkonzentration im Fleischmarkt Süddeutschlands.

Die Übernahme von Vion durch Tönnies könnte weitreichende Konsequenzen für die Landwirtschaft und den Wettbewerb im Fleischmarkt haben. In diesem Kontext ist die Entscheidung des Bundeskartellamts von entscheidender Bedeutung. Die Behörde hat auf der Grundlage umfassender Marktanalysen entschieden, dass die Übernahme die Wettbewerbsbedingungen erheblich verschlechtern würde.

Wissenschaftliche Analysen zeigen: Marktkonzentration im Lebensmittelbereich führt unweigerlich zu höheren Verbraucherpreisen und geringeren Einkommen bei Landwirt*innen. Verbraucher berichten von steigenden Preisen, während Landwirte durch Monopole immer schlechter gestellt werden.

Tönnies versucht nun, das klare Votum der unabhängigen Wettbewerbshüter mit dem Verweis auf das sogenannte „überragende Gemeinwohlinteresse“ zu relativieren. Angeblich gehe es um die Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Süddeutschland. Tatsächlich aber geht es um die Sicherung von Marktmacht. Der geplante Rückzug Vions aus dem deutschen Markt darf nicht zur Vorlage werden, um einem einzigen Akteur die Kontrolle über Infrastruktur, Preisbildung und politische Einflussnahme zu verschaffen.

Die Debatte zeigt, wie dünn die Trennlinie zwischen legitimer Versorgungssicherung und wirtschaftlicher Interessenpolitik geworden ist. Ja, die Frage, wer in Zukunft schlachten kann, ist keine akademische. Aber sie lässt sich nicht mit der Monopolisierung einer Branche beantworten. Was Tönnies als Gemeinwohl etikettiert, gefährdet in Wahrheit bäuerliche Existenzen, fairen Wettbewerb und die notwendige Transformation hin zu tiergerechter, nachhaltiger Landwirtschaft. Kurze Transportwege allein sind kein Argument, wenn sie zentral durch einen einzigen Großkonzern bestimmt werden.

Dass nun ausgerechnet eine Ministererlaubnis ins Spiel gebracht wird, erinnert an den umstrittenen Fall Edeka/Tengelmann im Jahr 2016 – ein Präzedenzfall, in dem ein wirtschaftlich mächtiger Akteur gegen das klare Votum der Kartellbehörden eine politische Ausnahmegenehmigung durchsetzte. Damals führte das zu juristischem Streit, Vertrauensverlust und einem von Gerichten gestoppten Verfahren. Die Lehre daraus ist eindeutig: Das Gemeinwohl lässt sich nicht per Dekret definieren – und wirtschaftliche Macht darf nicht durch politische Rückendeckung legitimiert werden.

Wir fordern die politisch Verantwortlichen auf, sich nicht für diesen Kurs vereinnahmen zu lassen. Es braucht keine Sonderrechte für einen Konzern, der in der Vergangenheit wiederholt wegen Arbeitsbedingungen, Preisdruck und Umweltfragen in der Kritik stand. Es braucht klare Haltung – für Vielfalt im Markt, für unabhängige Behörden und für glaubwürdige Politik. Eine Ministererlaubnis wäre nicht nur ein gefährlicher Präzedenzfall, sondern auch ein fatales Signal: Dass wirtschaftliche Größe über rechtsstaatliche Kontrolle gestellt werden kann, wenn man es laut genug behauptet.

Die Antwort auf den Rückzug eines Anbieters kann nicht die Zementierung eines anderen sein. Sie muss in Strukturförderung, regionaler Resilienz und der Unterstützung dezentraler Akteure bestehen. Wenn es der Politik ernst ist mit Tierwohl, Ernährungssouveränität und fairen Bedingungen für Landwirt*innen, dann darf sie sich nicht von der Rhetorik der Fleischindustrie unter Druck setzen lassen.

Wir als Volt sagen ganz klar: Das Gemeinwohl steht nicht zum Verkauf. Und demokratische Glaubwürdigkeit beginnt dort, wo wirtschaftliche Macht klare Grenzen bekommt.