Offener Brief zur Wiederöffnung der Hochschulen

Volt Thüringen wendet sich mit einem offenen Brief zur Wiedereröffnung der Hochschulen an den Ministerpräsident Bodo Ramelow, den Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft Wolfgang Tiefensee und die Vorsitzenden der im Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen.

28. Apr 2020

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Damen und Herren Vorsitzende,

in ungefähr einer Woche startet die Vorlesungszeit des Sommersemesters 2020. Die Universitäten wagen die Rückkehr zur „Normalität“, während dennoch überall noch nichts „normal“ ist. Studierende und Dozierende stehen vor der monatelangen Herausforderung, alles Lehren und Lernen online durchzuführen. Wir begrüßen die Entscheidung, das Sommersemester 2020 durchzuführen, befürchten allerdings, dass die Belastungsprobe für Studierende, Dozierende und nichtwissenschaftliche Angestellte der Universitäten und Hochschulen zu groß sein könnte. 

Unter ihnen sind Menschen mit Kindern und zu pflegenden Angehörigen oder Menschen, die sich aufgrund der Covid-19-Einschränkungen in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden. Dazu kommt, dass Dozierende vielfach nicht mit digitaler Hochschullehre vertraut und bisher höchstens mit einem digitalen Semesterapparat in Kontakt gekommen sind. Sie stehen vor der Herausforderung, ihre üblichen Lehrkonzepte über Bord zu werfen und neue Konzepte für die digitale Lehre zu gestalten - bei vollem Lehrdeputat. Für Studierende ist ein digitales Studium dementsprechend auch weitgehend Neuland. Nicht-wissenschaftliche Angestellte, die sich um die Organisation und technische Umsetzung des digitalen Semester kümmern, stehen ebenfalls vor völlig neuen Herausforderungen und unter großem Druck. Außerdem ist unklar, ob die vorhandene Technik überhaupt die Anforderungen eines digitalen Semesters bewältigen kann.

Da den Studierenden in diesem Semester keine fairen Studienbedingungen garantiert werden können, fordern wir, die Regelstudienzeit, die Höchststudiendauer sowie alle im Studium bestehenden Fristen um ein Semester zu erhöhen, bei Prüfungen den ersten Versuch als Freiversuch zu werten und Langzeitstudiengebühren für dieses Semester auszusetzen. Damit kann sichergestellt werden, dass Lehrveranstaltungen und Prüfungen durchgeführt werden können, ohne dass einzelne Personen einer zu hohen Belastung ausgesetzt sind oder die erforderlichen Aufgaben nicht erfüllen können. Gleichzeitig werden die Dozierenden und das nichtwissenschaftliche Personal entlastet, weil die Studierenden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht das volle Programm in diesem Semester durchziehen werden. Lehrveranstaltungen werden dadurch kleiner oder können sogar ganz ausfallen. 

Dazu kommt, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalen bereits am 15.04.2020 in einer Verordnung festgeschrieben hat, dass die individuelle Regelstudienzeit pauschal um ein Semester erhöht wird und Prüfungen, die erstmals abgelegt und nicht bestanden werden als nicht unternommen gelten. Sollte Thüringen dem nicht folgen, würde dies eine massive Benachteiligung der Thüringer Studierenden darstellen. 

Mit freundlichen Grüßen

Jonas Mazouz, Sophie Trautmann und Sven Weidner