Volt klagt gegen Wahlrechtsreform

NRW, 30.08.2024 - Volt NRW hat gestern Klage gegen die Reform des Kommunalwahlrechts eingereicht, die vom Landtag am 5. Juli 2024 beschlossen wurde. Die Partei klagt beim Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH NRW) und ist aufgrund vorliegender Rechtsgutachten zuversichtlich, den Prozess zu gewinnen.

30. Aug 2024

Volt NRW kritisiert, dass durch die Reform der Wähler*innenwille missachtet wird, denn viele Stimmen, die kleineren Parteien geschenkt wurden, kommen durch sie weniger bis gar nicht aktiv zum Tragen. Mit dieser Änderung werden Mandate von kleineren und mittleren Parteien in Städten und Kreisen anders verteilt, wovon  vor allem die Parteien profitieren, die diese Reform beschlossen haben.

Dieses Vorgehen erinnert stark an das im anglo-amerikanischen Raum viel kritisierte Gerrymandering, bei dem regierende Parteien die Wahlbezirke so verändern, dass sie im Mehrheitswahlrecht ihre eigenen Chancen erhöhen, indem sie mehr Kandidierende in die Parlamente bringen. Der Demokratie wird schwerer Schaden zugefügt, denn den Menschen wird dadurch vor Augen geführt, dass sie nur Spielball der regierenden Parteien sind.

„Gerade in den Städten und Kreisen möchten viele Menschen andere Akzente setzen. Die Wahlen zum Europaparlament haben zudem gezeigt, dass vor allem junge Menschen großes Interesse an neuen, kleinen Parteien haben. Die Chancen, Mandate zu erringen, dürfen nicht durch machtpolitische Entscheidungen der Regierung beschnitten werden“, betont Markus Blümke, Vorsitzender von Volt NRW.

Nancy Meyer, Vorsitzende von Volt NRW, ist nicht damit einverstanden, dass den kleinen Parteien der Zugang zu kommunalen Parlamenten erschwert wird: „Es liegt auf der Hand, was die großen Parteien mit dieser Reform erreichen wollen. Dies können und werden wir nicht hinnehmen, denn wir wollen für die Menschen in NRW erreichen, dass jede Stimme mehr Gewicht erhält. Es scheint, als wollen sich die großen Parteien der lästigen Teilung der Macht mit kleineren Parteien entledigen.“

Die Klage von Volt NRW wird durch die Kanzlei Teipel & Partner in Köln vertreten. Verfassungsrechtler Dr. Jürgen Küttner sieht gute Aussichten, die von den großen Parteien im Eilverfahren beschlossene Reform mit dem Organstreitverfahren zu stoppen.

In Köln, Münster und Bonn hat Volt bei den letzten Kommunalwahlen 2020 Mandate erhalten und arbeitet seitdem konstruktiv mit anderen Parteien zusammen. In Köln sind es vor allem die Grünen und die CDU. Im Ausschuss für Digitalisierung stellt Volt den Vorsitzenden.

Hintergrund

Die Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten wurden bisher nach dem Verfahren, das auf der Standardrundung nach Sainte-Laguë basiert, berechnet. Dabei fielen auch zum Beispiel halbe Sitze ins Gewicht, sofern diese einer Partei nach ihrem Stimmenanteil zustanden. Das passierte immer wieder, da es in NRW keine Sperrklausel mehr gibt, seit der Verfassungsgerichtshof des Landes zuerst die Fünf-Prozent-Hürde und schließlich auch die 2,5-Prozent-Hürde gekippt hatte. Weil keine halben Sitze vergeben werden, wird in solchen Fällen nach Sainte-Laguë regelmäßig von einem halben auf einen ganzen Sitz im Rat aufgerundet. 

Der Landtag hat nun das Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich eingeführt. Dies führt dazu, dass es schon zur Kommunalwahl 2025 schwieriger wird, ein Mandat zu erringen. Kleine Parteien und Wählergemeinschaften werden hierdurch einseitig benachteiligt.

Wäre die nun beschlossene Regelung schon bei der letzten Kommunalwahl angewendet worden, hätte die Union 184 Sitze mehr gewonnen. Auch die SPD mit zusätzlichen 84 Mandaten und die Grünen mit 51 Mandaten hätten profitiert.

Über das Sainte-Laguë-Verfahren

Das Verfahren nach Sainte-Laguë findet seit 2010 in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Bei diesem Verfahren, auch Divisormethode mit Standardrundung genannt, werden die jeweiligen Anzahlen der Zweitstimmen für die einzelnen Parteien durch einen gemeinsamen Divisor geteilt. Die sich ergebenden Quotienten werden standardmäßig zu Sitzzahlen gerundet, das heißt bei einem Bruchteilsrest von mehr als 0,5 wird auf-, bei weniger als 0,5 wird abgerundet, bei einem Rest von genau gleich 0,5 entscheidet das Los. Der Divisor wird dabei so bestimmt, dass die Sitzzahlen in der Summe mit der Gesamtzahl der zu vergebenden Mandate übereinstimmen.

Über das Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich

Dieses Verfahren baut auf der Hare-Quote auf, dem Quotienten aus Gesamtstimmen und Gesamtsitzen. Werden die Stimmen einer Partei durch die Hare-Quote geteilt, gibt die Ganzzahl des Quotienten an, wie oft die Hare-Quote erfüllt ist; diese Zahl an Sitzen erhält die Partei in der Hauptzuteilung. Von den verbleibenden Sitzen geht je einer an diejenigen Parteien, deren Quotienten die höchsten Bruchteilsreste aufweisen.